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Mortalität - 20
 
 

Zu den statistischen Randbereichen, die zu einem nicht klar definierten Anteil ebenfalls mit der Mortalität zu tun haben, zählen Vermisste. In Deutschland wurden, ähnlich wie in den Jahren zuvor, allein im Jahr 2000 immerhin 76 500 Personen vermisst. Von diesen Fällen werden in der Regel nur 80 % aufgeklärt, was aber nicht in jedem Fall bedeutet, dass die Betreffenden lebend gefunden werden. Zugleich bleiben die übrigen 20 %, immerhin jährlich rund 15 000 Personen, zwar vermisst, werden aber in der Statistik dennoch weiter geführt, denn das deutsche Melderecht arbeitet auf Anmeldungsbasis. Todesfälle von am Ort gefundenen nicht identifizierten Personen können zwar durch eine "Abmeldung von Amtswegen" aus dem Melderegister gestrichen werden, bleiben in der Statistik aber als "Meldefehler" erhalten, der nur durch eine erneute vollständige Volkszählung zu korrigieren ist. Das bedeutet für Deutschland, dass von der Volkszählung 1987 (bzw. 1981 in der DDR) bis zur geplanten Volkszählung 2002 ein statistischer Fehler von etwa einer viertel Million Personen allein durch Vermisste aufgelaufen sein könnte.
Ebenfalls zu den "nicht natürlichen Todesarten" gehören Unfälle, wozu hauptsächlich Straßenverkehrs-, Haushalts- und Arbeitsunfälle gehören, aber auch Todesfälle infolge fremder Gewalteinwirkung. Diese Todesarten sind statistisch insgesamt vergleichsweise unwesentlich, können aber in ausgewählten Regionen und für bestimmte Bevölkerungsgruppen durchaus bedeutend sein. Das um so mehr, wenn sie gehäuft bei Kindern und Jugendlichen auftreten und somit einen signifikanten Einfluss auf die Lebenserwartung der Menschen einer Region haben, wie bei einem Vergleich der Mortalität in der männlichen Altersgruppe 15-24 Jahre ausgewählter europäischer Staaten zu erkennen ist :

Nichtnatürliche Todesfälle (männlich) je 100 000 Einwohner der Altersgruppe 15-24 Jahre ausgewählter europäischer Staaten, 1994

Quelle: MICKLEWRIGHT; STEWART 2000, S. 16

Während in fast allen Staaten Mittel- und Westeuropas die Straßenverkehrsunfälle unter den nicht natürlichen Todesarten mit über 50 % dominieren, treten sie bei deutlicher Zunahme der Jugendmortalität in Richtung Osten zurück, liegen im Baltikum sogar teilweise unter den Werten der enorm hohen Suizidrate. Dort liegt unter den Ursachen die Rate der Unfälle außerhalb des Straßenverkehrs an erster Stelle. Bedenklich stimmt die statistisch signifikante Häufigkeit der Todesfälle infolge fremder Gewalt.
In Deutschland gibt es hinsichtlich der Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang eine deutliche Konzentration auf die Gebiete östlich der Elbe. Dabei markiert die zunächst enorme Zunahme der Unfälle 1990 die schon vor dem Anschluss der Länder der DDR an den Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD vollzogene Währungsunion, die bereits Mitte 1990 einen Zugang zum Kfz-Markt der damaligen Bundesrepublik eröffnete. Zudem war der sofortige Übergang zu den in der BRD genehmigten Blutalkoholwerten (von 0 ‰ auf 0,8 ‰) sowie den Höchstgeschwindigkeiten außerhalb geschlossener Ortschaften von 80 km/h auf 100 km/h unangemessen für die Qualität des vorhandenen Straßennetzes. Erst die allmähliche Anpassung der Fahrzeuge sowie der Straßen an den technischen Standard der westlichen Bundesländer führte wieder zur Senkung der Zahl der Verkehrstoten, jedoch nicht zur Verringerung der Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschäden. Besonders tragisch verlief die Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, wo bis heute insbesondere von Fahrverhalten und Alkoholmissbrauch deutschlandweit die meisten Opfer pro Kopf der Bevölkerung zu beklagen sind.

Verkehrsunfälle mit Personenschaden und Verkehrstote nach Jahren 1980-99 in Mecklenburg-Vorpommern

Bezugsbasis vor 1990: Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg
Quelle: Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern

Anteil der bei Verkehrsunfällen unter Einfluss von Alkohol verunglückten Personen in ausgewählten Bundesländern 1999 in %

Quelle: Statistisches Bundesamt

Alles in allem widerspiegeln die Todesursachen in einer Gesellschaft nicht nur die individuellen biogenetischen Anlagen sowie die Lebensqualität im Hinblick auf Ernährung und körperlichen Verschleiß, sondern auch die "Angriffe" auf eben diese Lebensqualität z. B. durch Krankheiten sowie die Erwehrung dieser Angriffe durch den sozialen und medizinischen Fortschritt. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist allerdings auch der Lebenswert für jeden einzelnen, was sich in nicht geringem Maße auf den Lebensstil auswirkt, der wiederum mit der Lebensqualität in enger Beziehung steht. Diesbezüglich dürfte es in den nächsten Jahrzehnten die stärksten Veränderungen in jenen Entwicklungsländern geben, wo die Rückstände gegenüber den Ansprüchen an eine Gesellschaft mit lebenswerter Perspektive für jeden einzelnen besonders groß sind. Zu den wichtigsten Indikatoren dieser Rückstände gehören neben konservativen Eigentumsstrukturen und Produktionsmethoden die Ernährung, die Benachteiligung der Frauen und das allgemeine Bildungsniveau. Deutliche Veränderungen in diesen Bereichen dürften eine unabdingbare Voraussetzung für die weitere Verringerung der Kinder- und Säuglingssterblichkeit sein, was zwar bereits rechnerisch zur Erhöhung der Lebenserwartung führt, aber nur dann einen Sinn hat, wenn das so gewonnene Leben menschenwürdig verlaufen kann.

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