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Mortalität - 12
 
 

Sicherlich schlagen sich solche Unterschiede in spezifischer Form auch in regionalen Differenzen der Sterblichkeit nieder. Sie sind im weiteren Sinne Teil jener räumlicher Aspekte der Sterblichkeit, die als regional differenzierte Todesursachen infolge von Umwelteinflüssen zu werten sind. Sie unterscheiden sich nach der Intensität ihrer schädigenden Wirkung. Während Staub und Smog der Städte sowie die oft viel zu geringe Luftfeuchtigkeit in den Gebäuden Atemwegserkrankungen "lediglich" befördert, gibt es Situationen mit dem Charakter von Katastrophen. So hatten Smog-Wetterlagen im belgischen Maas-Tal 1939 und in London 1952 insgesamt 4 000 Menschenleben gekostet (WÜRZNER 1997, S. 206).
Der größte bisher bekannte Unfall der chemischen Großindustrie dürfte in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember 1984 in einer Chemiefabrik des US-amerikanischen Konzerns "Union Carbide" im indischen Bhopal stattgefunden haben. Seit 1969 wurden dort für die "Grüne Revolution" Insektenversichtungsmittel produziert. Nach einer unkontrollierten chemischen Reaktion trat eine Giftgaswolke aus, die 500 000 Menschen an Lungen und Augen verätzte; etwa 2 500 starben innerhalb weniger Stunden (WDR - Fernseh-Sendung am 30. November 1999). Nach Aussagen der indischen Schriftstellerin ARUNDHATI ROY in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. September 2001 ("Wut ist der Schlüssel") stieg die Zahl der Todesopfer anschließend auf etwa 16 000 an.
Andere Todesursachen sind trotz konkreter geographischer Zuordnung der Anlässe und Auslöser in ihrer Wirkung eher grenzenlos. Das gilt ebenfalls für die zumeist langfristigen Einflüsse, insbesondere atmosphärische Belastungen z. B. durch den Straßenverkehr und - immer stärker begriffen - durch Rauchen. Diese wirken sich auf die Lebenserwartung negativ aus, obgleich das nicht immer so deutlich ist, wie bei einer akuten Einwirkung auf die Menschen. Dennoch sterben an den durch Luftverschmutzungen in Folge der Verbrennung von Benzin und Kohle ausgelösten Bronchial- und Herzerkrankungen sowie Lungenleiden weltweit mehr Personen als an Straßenverkehrsunfällen (DAVIS 2001).
Ähnlich räumlich diffus sind die Auswirkungen der zahlreichen ober- und unterirdisch durchgeführten Tests von Atomwaffen, von denen 1945 bis 1997 weltweit 2 048 registriert wurden. Allein die äußere Strahlenbelastung durch radioaktiven Niederschlag nach überirdischen Atomtests dürfte bis zum Jahr 2000 weltweit etwa 3,4 Millionen Todesopfer verursacht haben (DER STANDARD, 7. August 1997).
In verschiedenen Gesellschaften unterscheidet sich die Sterblichkeit nicht nur nach der Differenziertheit und Häufigkeit der Todesursachen, sondern auch nach der Latenz bestimmter Todesursachen. Letzteres ist insbesondere an die gesundheitliche Situation einer Bevölkerung gebunden. Diese ist wiederum stark abhängig von der Altersgliederung der Bevölkerung, denn mehrere Krankheiten sind für bestimmten Lebensalter typisch.
Die Demographie bearbeitet gemeinsam mit der Gerontologie (Altersforschung) auch jene Aspekte der Morbidität (Erkrankungsrate) der Bevölkerung, welche hochgradig mit der Mortalität korrelieren. Derartige Forschungen und Untersuchungen werden z. B. im "Laboratory of Survival and Longevity" am Max-Planck-Institut für demographische Forschung in Rostock durchgeführt. Neben theoretischen Arbeiten zur Modellierung des Verhältnisses von Lebensweise und Langlebigkeit werden auch Auswirkungen räumlicher Unterschiede und konkreter Ereignisse bearbeitet, z. B. die aktuellen Trends der Mortalität in Osteuropa nach den Veränderung der Existenzbedingungen seit 1990 sowie im Unterschied zu Westeuropa.
Die altersspezifische Beziehung von Morbidität und Mortalität erkennt man u. a. an solchen Todesursachen, die Ergebnis von Krankheitsbildern sind, welche typischerweise erst in einem Alter auftreten, dass früher von vielen Menschen gar nicht erreicht wurde. Ein typisches Beispiel für eine Krankheit mit altersabhängiger Sterblichkeit ist Krebs in seinen vielfältigen Erscheinungen .

Krebstodfälle in Deutschland nach Lebensalter

Quelle: Stat. Bundesamt

Die für die Geographie interessantere Beziehung zu Standorten und Regionen wird im Zweig der Geomedizin bearbeitet. Gerade im Hinblick auf Krebs ist aus der medizinischen Forschung der DDR ein Krebsatlas überliefert, in dem seit 1961 alle (!) Krebsfälle im östliche Teil Deutschlands flächendeckenden erfasst sind. Die Qualität dieses einzigartigen Instrumentes der Krebsforschung war Anlass, diese flächendeckende Forschung im vereinigten Deutschland weiterzuführen. Sie erlaubt, zeitliche Entwicklungen sowie geographische Häufigkeitsunterschiede auch auf der Grundlage von Neuerkrankungsdaten darzustellen (siehe MÖHNER et al. 1994) und damit das Bild der "Krebslandschaft" zu vervollständigen. Hingegen wurden in der Vergangenheit in der ehemaligen BRD nur in zwei Regionen (Hamburg und Saarland) mit einem Bevölkerungsanteil von knapp 5% der westdeutschen Gesamtbevölkerung vergleichbare Register geführt (BECKER 1997). 1995 trat eine gesetzliche Regelung zur flächendeckenden, vollständigen Krebsregistrierung für ganz Deutschland in Kraft.

Übersicht  
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