!
Mortalität - 19
 
 
Aids ist heute Haupttodesursache in Afrika

AIDS ist heute eine der größten Gefahren für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Die Ausbreitung der Krankheit hat alle Vorhersagen übertroffen. In den am stärksten betroffenen Ländern sind bis zu einem Viertel der erwachsenen Bevölkerung infiziert. Damit sind zum Teil Entwicklungsfortschritte vieler Jahrzehnte in kurzer Zeit zunichte gemacht worden. Das gilt sowohl für die durchschnittliche Lebenserwartung, die heute in einigen afrikanischen Ländern unter dem Niveau von 1960 liegt, als auch für die Kindersterblichkeit. Die derzeit zur Bekämpfung von HIV/AIDS bereitgestellten Mittel sind völlig unzureichend. Die Krankheit breitet sich dreimal schneller aus, als die notwendigen Mittel zur Eindämmung der Seuche aufgestockt werden.
Schätzungen zufolge wird pro Jahr mindestens 1 Milliarde US-Dollar zusätzlich benötigt, um die weitere Ausbreitung der Seuche in Afrika zu stoppen und die Behandlung der bereits Infizierten und Erkrankten sicherzustellen. Besonders problematisch ist die starke Dezimierung des Angebots an Arbeitskräften durch HIV/AIDS, also genau jener Altersgruppe der Bevölkerung, die sich im aktiven Arbeitsleben befindet, die Kinder zu erziehen und zu bilden hat, letztlich Träger der gesellschaftlichen Entwicklung sein muss.

(nach: Weltbevölkerungsbericht der UNFPA 2000, S. 22)

Einige Bereiche der Sterblichkeit lassen sich nicht ohne weiteres über das natürliche oder "normale" Ableben thematisieren. Die Mortalitätsforschung unterscheidet vielfach anlassbezogen. Dabei spielen Todesursachen nach dem ICD-Code eine untergeordnete Rolle, was mit der unterschiedlichen Bedeutung verschiedener Todesanlässe in der Geschichte der Menschheit zu tun hat, insbesondere mit der Rolle von Krieg und verschiedenen anderen Formen der Gewalt. Da diese Gruppierungen außerordentlich große Anzahlen von Todesfällen umfassen, wird auch von "Megatötungen" gesprochen .

Klassifikation der Megatötungen
Ausgewählte Megatötungen

Die individualisierten Formen des nicht natürlichen Todes sind Suizide sowie Unfälle und Gewalteinwirkungen mit Todesfolge. Auch diese Todesursachen lassen sich nicht nur nach Alter und Geschlecht, sondern auch räumlich differenzieren und stehen damit als Variable im räumlichen Bedingungsgefüge zur Raumbewertung zur Verfügung.
Suizid ("vorsätzliche Selbstbeschädigung mit Todesfolge") ist in den entwickelten Industriestaaten insbesondere für die jüngeren Jahrgänge bis unter 40 eine der häufigste Todesursachen. Nach dem 40. Lebensjahr geht zwar die Bedeutung unter den Todesursachen drastisch zurück, doch steigt die absolute Bedeutung insbesondere bei Männern bis zum 90. Lebensjahr auf fast 100 Fälle je 100 000 Einwohner (Westdeutschland 1994). Allein in Deutschland sterben insgesamt fast ebenso viele Menschen selbstveranlasst (11 157 Personen im Jahre 1999) wie an Verkehrsunfällen (1999: 7 772), AIDS (1999: 587), Drogen (1996: 1 565) und Gewalttaten (1996: 1 357) zusammen (Statistisches Bundesamt, Bundeskriminalamt).
In der Statistik ist der Suizid ist ein Sonderfall der "nicht natürlichen Tode". Er wird nur dann erfasst, wenn der Hinweis auf Selbsttötung in der Todesbescheinigung, d. h. im "Totenschein" bzw. dem sog. "Leichenschauschein" (siehe Abb. Totenschein-Auszug) enthalten ist. Da die Statistik der Todesursachen unikausal ist, wird für jeden Todesfall nur eine Todesursache angegeben. Streng genommen ist die Selbsttötung ebenso wie der Tod nach einem Unfall oder einem Gewaltverbrechen aber keine Todesursache sondern eher ein Todesanlass, der als juristisches Kriterium zu verstehen ist. Somit kann man beim nicht natürlichen Tod nicht nach einer unmittelbaren bzw. medizinischen (z. B. akuter Blutverlust oder Ersticken) und zugleich nach einer mittelbaren bzw. juristischen Todesursache (Unfall, Mord, Suizid) unterscheiden. Darum weist die Statistik in diesem Fall lediglich die juristische Ursache aus, obgleich unterschiedliche medizinische Befunde (Todesursache im engeren Sinne) vorliegen können.
Bei statistischen Vergleichen ist zu berücksichtigen, dass unter Umständen bei Suizid nur die medizinischen Todesursachen angegeben werden. Ein Sonderfall sind diesbezüglich die Statistischen Jahrbüchern der DDR. Das dürfte allerdings auf politische Ursachen zurückzuführen gewesen sein, denn in den Augen der DDR-Führung galt jeder Suizid - so individuell die jeweiligen Gründe auch gewesen sein mögen, z. B. Liebeskummer, Depressionen oder andere Ursachen, die nichts oder nur wenig mit den gesellschaftlichen Bedingungen zu tun haben mussten - als Ablehnung des Sozialismus und war dahingehend geheim zu halten. Immerhin lag die Suizidrate (Anzahl der Selbsttötungen je 100 000 Einwohner) in der DDR doppelt so hoch wie in der damaligen BRD. Darum wurde die Suizidstatistik in der Kriminalstatistik der DDR vertraulich geführt und war somit bis 1989 nicht öffentlich zugänglich. - Es ist allerdings davon abzuraten, aus dieser Tatsache voreilige Schlüsse zu ziehen, da es z. B. auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auch schon vor 1938 eine höhere Suizidrate gegeben hat, als in anderen Regionen Deutschlands.
Auch heute gibt es zwischen den Bundesländern beträchtliche Unterschiede. So hat trotz insgesamt rückläufiger Tendenz im gesamten Bundesgebiet das Saarland die niedrigste (9,2) und Sachsen die höchste Suizidrate (18,0). Bei Männern sind die zahlenmäßigen Unterschiede noch stärker ausgeprägt (das Saarland mit 13,3 und Sachsen mit 27,7). Die Suizidrate der Frauen liegt in allen bekannten Statistiken unter jener der Männer und variiert in Deutschland zwischen dem geringsten in Mecklenburg-Vorpommern (4,2) und dem höchsten Wert in Hamburg (11,9). Diese Zahlen umreißen die allgemeinen Sexualproportionen (Männer : Frauen) der Suizide, die in Hamburg (Minimum) bei 1,7 : 1 und in Mecklenburg-Vorpommern (Maximum) bei 5,1 : 1 liegen. (Statistisches Bundesamt, alle Daten von 1999)
Sofern der Suizid als eine individuelle Nichtbewältigung existentieller Bedingungen interpretiert wird, ist er kein geographisches Problem. Die Unterschiede seiner Häufigkeit in Bezug zur räumlichen Verteilung zeigen hingegen, dass zumindest eine geographische Komponente existiert, die allerdings nicht zwingend aus dem räumlichen Bedingungsgefüge abgeleitet werden kann. Regionen mit ähnlicher Lebensqualität können sehr unterschiedliche Suizidraten haben, bzw. Gebiete mit extrem unterschiedlichen Bedingungen ähnliche Suizidraten.
Im internationalen Vergleich der Suizidraten ausgewählter Staaten Europas unter Einschluss der SU-Nachfolger liegen die Werte in den osteuropäischen Gebieten mit deutlichem Abstand an der Spitze: Litauen 47,23; Russische Förderation 38,19; Weißrussland 36,17; Estland 35,80 und Lettland 35,42 (alle Angaben für 1996), was in diesen Ländern auf eine besonders hohe Suizidrate der Jugendlichen zurückzuführen ist. Auch die geringsten Quoten finden wir neben Südeuropa [Spanien 6,10 (1994); Italien 6,01 (1993); Portugal 5,87 (1995); Griechenland 2,87 (1995); Albanien 2,61 (1993)] im Raum der ehemaligen UdSSR: Armenien 2,49 (1996) und Aserbaidschan 1,08 (1996). In Mitteleuropa gibt es keine großen Unterschiede in der Suizidrate: Schweiz 17,34 (1994); Österreich 17,00 (1996) und Deutschland 14,9 (1997).
Eine merkwürdige Beziehung zwischen der Suizidrate und dem räumlichen Bedingungsgefüge gibt es zwischen der suizidalen Sexualproportion und der Lebensqualität. In der Regel ist die Sexualproportion in Ländern mit höherer Lebensqualität ausgeglichener ( 2,0 : 1 bis 3,0 : 1 in Mittel- und Westeuropa) als in jenen Gebieten, die durch politische Umbrüche und wirtschaftliche Probleme gekennzeichnet sind (zumeist über 5,5 : 1 ). (alle Angaben nach WHO 2000 sowie Statistisches Bundesamt) Unter den entwickelten Industriestaaten fällt Japan mit einer relativ hohen und zugleich steigenden Suizidrate auf. Sie liegt gegenwärtig (1999) bei 26,1. Ob sich darin eine Beziehung zu bestimmten Werten der japanischen Kultur ausdrückt (Harakiri) ist sicher spekulativ, doch wird mindestens jeder fünfte Suizid durch die Behörden auf Schulden oder den Verlust des Arbeitsplatzes zurückgeführt. Das kann in der japanischen Gesellschaft durchaus mit dem Verlust der Ehre insbesondere der Männer interpretiert werden - die Sexualproportion liegt permanent bei über 3,5 : 1.

Übersicht  
!