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Natalität - 1
 
 

Die vielfältigen Begriffe, mit denen sowohl umgangssprachlich wie auch wissenschaftlich die qualitativen sowie die quantitativen Momente der Geburt von Kindern umschrieben werden, haben mit der Natalität (Geburtlichkeit, in der Statistik: Geburtenhäufigkeit) einen Oberbegriff. Er wird in der Literatur allerdings oftmals synonym durch Fertilität (Fruchtbarkeit) ersetzt, was im engeren Sinne aber eine begriffliche Reduzierung darstellt.
Die Anzahl der Kinder, denen eine Frau das Leben schenkt, ist von vielen Faktoren abhängig. Zunächst ist die biologische Kondition zu beachten. Die fertile Phase beginnt formal mit der Menarche (erste Menstruation), deren zeitliche Platzierung von der Ernährung, dem Klima und dem allgemeinen Lebensstandard abhängt; sie tritt in Mitteleuropa durchschnittlich in der Mitte des 13. Lebensjahres auf. Mit der Menopause (letzte Menstruation) beginnt die Altersunfruchtbarkeit, das Klimakterium; der durchschnittliche Beginn dieses Lebensabschnitts liegt in Mitteleuropa im 53. Lebensjahr (KREUZ 1977, S. 185). Verschiebungen dieser Daten infolge der Achszelleration sind bisher vorrangig unter medizinischen Fragestellungen untersucht worden (vgl. KYANK et al. 1987).
Insgesamt gibt es nach dieser Rahmensetzung im Leben einer Frau etwa 480 mal die Chance zur Empfängnis. Allerdings gehen neueste anthropologische Erkenntnisse davon aus, dass aus evolutiver Sicht eigentlich keine Frau auf diese biologische Leistung eingerichtet ist. Die heute übliche Anzahl der Menstruationen ist nicht nur ein höchst modernes Phänomen, in welchem sich die Lebensbedingungen seit Beginn der Industrialisierung widerspiegeln, sondern aus biologischer Perspektive eher unsinnig. Vergleiche mit Naturvölkern haben gezeigt, dass Frauen unter jenen Bedingungen, wie sie für den allergrößten Teil der Menschheitsgeschichte gültig waren, sehr viel seltener menstruieren, als dies heute der Fall ist: Sie kommen in ihrem Leben auf nur etwa 100 Monatsblutungen (STRASSMANN 1997, S.125f). Gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung unter jenen Bedingungen würde sich die Maximalanzahl der Zeugungschancen damit auf etwa 100 beschränken.
Wird unter den Bedingungen der heutigen Menstruationsfrequenz jede Zeugungsgelegenheit wahrgenommen, dann ist im Wechsel von Schwangerschaft und nachgeburtlicher Unfruchtbarkeit eine theoretisch maximale Anzahl von 40 Geburten denkbar, die auch als theoretisch maximale Fruchtbarkeit bezeichnet wird. Der umgangssprachliche Begriff Fruchtbarkeit (Fertilität) ist auf die potentielle Fruchtbarkeit gerichtet und kommt damit dieser Maximalzahl relativ nahe, wogegen in den Bevölkerungswissenschaften mit Fertilität immer die durchschnittlich realisierte Fruchtbarkeit gemeint ist!
Die theoretisch maximale Fruchtbarkeit unterschiedet sich aus vielen Gründen von der biologischen Fruchtbarkeit, wonach eine Frau normalerweise in der Lage ist, etwa 16 bis 18 Kinder zu gebären (MOHRIG 1976, S. 53, Übersicht Barbara Schmotzerin). Die Differenz zwischen beiden Formen der Fruchtbarkeit wird im wesentlichen vom Auslassen von Zeugungschancen sowie einer Vielzahl von medizinischen Indikationen (u. a. vorgeburtliche Sterblichkeit, Sterilität) bestimmt.

 
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