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Soziale Strukturmerkmale der Bevölkerung - 5
 
 

In der Literatur gibt es mehrfach Hinweise zu einer mehr oder weniger engen Beziehung von Qualifikation und Fruchtbarkeit. Verschiedentlich wurde eine hochgradige Korrelation zwischen beiden Variablen festgestellt. Eine solche Aussage hat allerdings nur eingeschränkten Wert, wenn sie keine zusätzliche Information zur Ursächlichkeit enthält und auch nicht das konkrete Bedingungsgefüge berücksichtigt wird. Ein besonderes Beispiel für relativ eindeutige Beziehungen von Qualifikationsniveau und Kinderlosigkeit (stellvertretend für Fruchtbarkeit) gibt es in Deutschland, differenziert nach Ost und West, wobei bis heute die Bedingungen in den beiden deutschen Staaten vor dem Fall der Mauer durchschlagen.

Kinderlose Frauen im Alter zwischen 30 bis 39 Jahren in Deutschland (Stand 1994, in Prozent)

Die räumlichen Auswirkungen der Teilhabe der Bevölkerung an Religionen ist im engeren Sinne Gegenstand der Religionsgeographie bzw. einer Geographie der Geisteshaltung. Dabei geht es u. a. um die Verbreitung der Religionen auf der Erde nach Regionen und Beteiligung, ihren prägenden Einfluss auf das Siedlungs- bzw. Landschaftsbild, ihre Einflüsse auf das Wirtschaftsleben oder den Pilgerverkehr. Die z. T. enorme Bedeutung der Religion für bevölkerungsgeographische Fragen ist aber offenkundig. Dabei gibt es allerdings kein reguläres Muster, zumal ein formales Gebot oder eine bestimmte Wertvorstellung noch kein zwingender Grund für die Umsetzung in ein konkretes Handeln sind, denn sie sind immer unterschiedlich stark verinnerlicht. Es soll hier genügen, aus der kaum überschaubaren Menge an Teilthemen heraus willkürlich einige Beispiele unvertieft zu erwähnen, bevor an passender Stelle erneut darauf Bezug genommen wird:

  • religiöse Vorstellungen und Gebote können tief in das Gefüge von Familien und damit in einen wesentlichen Teil der Sozialstruktur eingreifen; vielfach ist die gesellschaftliche Rolle von Mann und Frau festgeschrieben;
  • zuweilen wird das Sexualverhalten bis zu Auswirkungen auf das generative Verhalten reglementiert; religiöse Positionen haben z. T. einen fundamentalen Einfluss auf Entscheidungen über Maßnahmen zur Geburtenregelung, von der Empfängnisverhütung bis zum Schwangerschaftsabbruch (siehe Diskussionen zum § 218 StGB in Deutschland)
  • vielfach sind religiöse Motive oder auf Religionszugehörigkeit abgestellte Konflikte Auslöser für erhebliche Veränderungen der Bevölkerung nach Anzahl und Zusammensetzung, vorrangig durch Flucht und Vertreibung, z. B. die häufige Vertreibung der Juden (Diaspora), die Flucht der Hugenotten u. a. nach Deutschland (um 1700 war jeder dritte Einwohner Berlins ein Hugenotte), die Auswanderung der Puritaner (Pilgrim Fathers) nach Nordamerika, Treck der Mormonen in den Westen der USA (Gründung des Staates Utah) usw.
  • aus den gleichen Gründen kommt es bis in die Gegenwart zu Gewalt unterschiedlicher Intensität, bis zu Kriegen, z. B. der Dreißigjährige Krieg in Mitteleuropa, die Hugenottenkriege, der Kaschmirkonflikt, der Konflikt in Nordirland, nicht zuletzt der Holocaust.


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