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Ausgewählte Migrationen in der Neuzeit - Überseeische Wanderungen - 5
 
 

Bezüglich der engeren demographischen Parameter hat die Immigration erhebliche Auswirkungen auf die Alters- und Geschlechtsgliederung der Bevölkerung. Aufgrund der jetzigen Dominanz von familiären Gründen sind unter den Einwanderern im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung diejenigen Altersgruppen überproportional vertreten, in welchen sich etablierte Familien mit halbwüchsigen Kindern befinden, also die Altersgruppen 10 bis 39 Jahre. Das führt zu einer Verbesserung der Altersstruktur ohne Belastung der Sozialaufwendungen für kleine Kinder und Senioren .

Standardisierte Alters- und Geschlechtsgliederung der US-amerikanischen Bevölkerung und der Immigranten 1998

Quelle: U.S. Immigration and Naturalization Service 2000, S. 60; U.S. Census Bureau, Population Division 2000

Ein anderes Problem ist allerdings die Abhängigkeit des Integrationsprozesses von der Eingliederungsbereitschaft und der Qualifikation der Immigranten. Ihre Qualifikation ist nicht nur schlechthin inhomogen, sondern - durch die Bestimmungen des IRCA provoziert - ausgesprochen unausgewogen und hoch korrelativ zu verschiedenen ethnischen Gruppen, welche sich nicht mehr nach dem klassischen Schema "gebildete Europäer - ungebildete Asiaten" strukturieren lassen. Allein gemessen an der High-School-Graduierungsquote stehen heute nicht nur die Inder, Philippinos und Koreaner noch vor den Deutschen . Hingegen gibt es - bei aller Vorsicht gegenüber einer Übersetzung von "Dissimilation" als Gegenteil von "Assimilation" - eine deutliche Distanz der Immigranten verschiedener Herkunft zur Lebensweise in der US-amerikanischen Gesellschaft, die zu überwinden bei aller Bereitschaft offenbar vorrangig von der Qualifikation abhängt.

Einwanderer in die USA nach Dissimilations-Index und Qualifikation ausgewählter Gruppen, 1990

Quelle: GOBER 1999, S. 237

Die internationalen Wanderungen nach Kanada und Australien sind in vielen Punkten ähnlich zu denen der USA. Das gilt sowohl bezüglich der Zusammensetzung der Migranten in den verschiedenen Perioden der Entwicklung (HAHN 1991, S. 148 ff.) als auch für die zeitweilig sehr stark von rassistischen Gedankengut beherrschte Einwanderungspolitik. Im Unterschied zu den USA und Kanada ist bei Australien die eindeutige Dominanz britischer und irischer Einwanderer bis in die jüngste Zeit erhalten geblieben . Sie war bereits bei Gründung des Commonwealth of Australia 1901 vorhanden, als dort 3,77 Millionen Einwohner lebten, von denen 22,8 % im Ausland geboren waren. 79 % waren britischer Herkunft, 3 % stammten aus Neuseeland, 4,4 % aus Deutschland und 3,5 % aus China. Alle anderen Volksgruppen waren offenbar so gering vertreten, dass ihre gesonderte Aufführung in der damaligen Statistik nicht sinnvoll erschien (HOFMEISTER 1985, S. 38). Durch die einseitige Förderung insbesondere britischer Einwanderer, z. B. durch die Übernahme der Kosten für die Schiffspassage, ist die britische Dominanz unter den Einwanderern erhalten geblieben.

Einwanderer in Australien nach den jeweils 10 wichtigsten Herkunftsländern, ausgewählte Jahre

nach WESSELY 1991, S. 88

Die regelrecht chauvinistisch anmutenden Tendenzen der australischen Einwanderungspolitik sind für lange Zeit im Immigration Restriction Act von 1901 festgeschrieben gewesen. Dieses Gesetz, das erst 1959 durch das diesbezügliche etwas gemäßigte Migration Act von 1958 abgelöst wurde, war die politische Richtlinie für ein "Weißes Australien", wonach die Einwanderung von Nicht-Briten bzw. Nicht-Europäern fast unmöglich gemacht wurde (LAMPING 1985, S. 100).
Diese Haltung geht bereits auf die ersten englischen Siedler, zumeist Sträflinge, zurück, die ab 1788 ins Land kamen. Sie zeichneten sich durch einen selbst für weiße Kolonialherren ungewöhnlichen fanatischen Rassismus aus, den sie insbesondere gegenüber den Aborigines zum Ausdruck brachten, welche sie vielfach nicht einmal als Menschen betrachteten. Erst 1967 wurde den Ureinwohnern dieses Kontinents die Staatsbürgerschaft zuerkannt. Jedoch noch 1971 wurde ihnen, trotz der z. T. Jahrhunderte langen Bindung an ihr Land, das Recht auf Eigentum per Gerichtsbeschluss entsagt. Erst seit 1993 können Aborigines Rechtsansprüche auf ihre Siedlungsgebiete formell geltend machen. (LUDWIG 1994, S. 21 f.)
Das Wesen der mit dem gemeinsamen Attribut "überseeisch" gekennzeichneten Wanderungen liegt weniger in der raumfunktionalen Bestimmung der "Migration über See", sondern eher im Auffangen der "Überschüsse" der Demographischen Transition Europas sowie in einer rigiden Selektion nach verschiedenen Kriterien. Hinsichtlich der heutigen "Überschüsse" jener Länder, die sich noch in der Demographischen Transition befinden, müssen sich diesbezüglich weltweit andere Wanderungsmuster einstellen. Das Kriterium "über See" wird dabei eher zufällig sein.

 
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