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Ausgewählte Migrationen in der Neuzeit - Überseeische Wanderungen - 4
 
 

Die außerordentlich hohen Einwanderungszahlen von 1989 bis 1992, unter denen allein 1991 die Mexikaner über 50 % der Beteiligten stellten, sind um 2,6 Millionen überhöht. Sie gehen auf das IRCA (Immigration and Reform and Control Act) von 1986 zurück, ein Gesetz zur Legalisierung von zuvor "illegalen" Einwanderern, welche seit Jahrzehnten über die "grüne" Grenze in die Staaten gelangen (U.S. Immigration and Naturalization Service 2000, S. 13). Die Bestrebungen nach illegaler Einwanderung sind offenbar ungebrochen. Dabei haben die Betreffenden nicht nur eine der am besten gesicherten Grenzen der Welt zu überwinden, sondern nehmen für eine spätere Einbürgerung auch viele andere Entbehrungen in Kauf, z. B. schwere körperliche Arbeit bei besonders schwierigen Lebensverhältnissen und geringstem Lohn in der kalifornischen Landwirtschaft. Eine auf diese Weise nachgewiesene minimale Periode des Aufenthalts in den USA ist für die meisten "Illegalen" eine zwingende Voraussetzung, um nach dem IRCA den Status eines legalen zeitweiligen und schließlich den eines "legalen ständigen Aufenthalts" zu erhalten; von letzterem konnten allein im Jahre 1998 mehr als 660 000 zuvor illegale Immigranten profitierten (ebenda, S. 14).
Eine Legalisierung des Aufenthalts in den USA ist allerdings noch keine Einbürgerung im Sinne der Verleihung staatsbürgerschaftlicher Rechte. An dieser Stelle zeigt sich eine gewisse Ambivalenz in den rechtlichen Bestimmungen, denn der Lockerung der Einwanderungsbestimmungen mit dem Ziel, ausgewählte Personen für den Arbeitsmarkt und Inhaber von hohen Qualifikationen und investierbarem Kapital ins Land zu holen, stehen relativ starke Restriktionen und strenge Selektionskriterien in den Bestimmungen zur Einbürgerung gegenüber. Das Einwanderungsrecht unterscheidet dabei streng nach Verwandtschaft unterschiedlichen Grades mit einem US-Bürger, Familienzusammenführung, Arbeitsmigration, Flucht bzw. Asyl, Legalisierung gemäß IRCA und sonstigen Gründen.

Einwanderungen, Einbürgerungen und Ausweisungen im Immigrationsprozess der USA von 1991 bis 1999

1) in zitierter Quelle nicht ausgewiesen
2) zum Zeitpunkt der Berechnung noch nicht verfügbar
Quelle: U.S. Immigration and Naturalization Service 2000, div. Seiten

Besonders interessant dürften die Erfahrungen der US-amerikanischen Einwanderung hinsichtlich der Einhaltung der Einwanderungsbestimmungen für die diesbezüglichen Diskussionen in Europa sein, insbesondere die Stringenz, mit der entsprechende Maßnahmen in den USA durchgesetzt werden. Das IIRIRA (Illegal Immigration Reform and Immigrant Responsibility Act) von 1996 in der umfangreichen Revision vom 1. April 1997 definiert Deportations? und Einreiseausschlussgründe sowie die praktischen Maßnahmen der Ausweisung. Letztere reichen von der Option der "freiwilligen Abreise" bis zur gewaltsamen Abschiebung. Unter Anwendung des IIRIRA waren im Jahr 1998 etwa 1,7 Millionen Ausländer identifiziert, für die ein Deportationsanlass vorlag. Real ausgewiesen wird allerdings in der Regel nur ca. ein Zehntel dieser Personen, von denen über ein Drittel als kriminell registriert war. 1998 wurden über 55 000 und 1999 sogar über 69 000 straffällig gewordene Ausländer ausgewiesen (U.S. Immigration and Naturalization Service 2000, cap. Enforcement, p. 2 ff). Der größte Teil (ca. 87 %) von ihnen stammt aus den Staaten der Nachbarschaft und befand sich zuvor vielfach bereits illegal in den Staaten.

Remigration durch Ausweisung aus den USA 1999 in die häufigsten Herkunftsländer; Anteil der Kriminellen unter den Ausgewiesenen in Prozent

Quelle: U.S. Immigration and Naturalization Service 2000, cap. enforcement, p. 5

Der häufigste Grund für die Abschiebung von Ausländern aus den USA in ihre Herkunftsländer sind Verbrechen unterhalb der Schwelle einer Verurteilung zu schweren Haftstrafen . Die Häufigkeit bestimmter Delikte ist - entgegen aller Freizügigkeiten dieses Landes - eine ofenkundige Begründung für die Vorsicht der US-amerikanischen Behörden sowie für die Schärfe der Einwanderungsgesetze. Allerdings gibt es hier auch eine Ebene der Stigmatisierung insbesondere der an dieser Kriminalität besonders häufig beteiligten "Latinos", die sogar noch im aktuellen Zensus (2000) als "Race and Hispanic Origin Population" ein eigenes Kapitel einnehmen!

Die zehn häufigsten Verbrechen, die 1999 in den USA zur Abschiebung von Ausländern in ihr Herkunftsland führten

Quelle: U.S. Immigration and Naturalization Service 2000, cap. enforcement, p. 6

Die demographischen Konsequenzen der Immigration sind vielfältig. Jene qualitativen Merkmale der Immigranten, die für das Einwanderungsland als "Humankapital" von besonderer Bedeutung sind, bezeugten den USA bis vor wenigen Jahren, ungeachtet des Schadens für die Herkunftsländer, eine eindeutige Strategie des "Braindrain", sowie eine starke Instrumentalisierung im Rahmen der politischen Zielsetzungen im Kalten Krieg. Letzteres wird insbesondere an den Positionen gegenüber Kuba deutlich, indem die Exil-Kubaner überproportional gefördert wurden, obgleich die üblichen Immigrationskriterien vielfach nicht zur Anwendung gekommen wären. Dabei sind die Anforderungen an eine entsprechende Vorbildung (schulisches Qualifikationsniveau, Berufsbildung, Sprache) von besonderer Bedeutung. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Protegierung dieser und ähnlicher Immigranten einer eher humanitär orientierten Einwanderungspolitik mit Schwerpunkt Familienzusammenführung gewichen.

 
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