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Ausgewählte Migrationen in der Neuzeit - Überseeische Wanderungen - 2
 
 

Die Zuwanderung in die USA erfolgte weder nach Anzahl noch nach Herkunft der Migranten kontinuierlich. In einem Zusammenspiel von Push- und Pullfaktoren hatten wirtschaftliche und politische Ereignisse in Europa, z. B. die Auswirkungen der nicht vollendeten bürgerlich-demokratischen Revolution 1848 in Deutschland, der Erlass der "Sozialistengesetze" 1888 durch Bismarck und verschiedene Wirtschaftskrisen, insbesondere die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg , ebenso ihre Bedeutung wie Ereignisse in den Vereinigten Staaten, voran die Entdeckung von Goldlagerstätten in Kalifornien sowie bedeutende wissenschaftliche und technische Entdeckungen und Erfindungen. Insbesondere letzteres war in mehreren Perioden der Entwicklung Anlass für die Auswanderung vieler hoch qualifizierter und gut ausgebildeter Fachleute, deren schöpferische Kraft sich in der konservativen Enge der juristischen, ökonomischen und sozialen Strukturen der Gesellschaften auf dem alten Kontinent nicht umsetzen ließ.

Deutsche Auswanderung von 1816 bis 1938

Quelle: FEUCHT 1999, S. 43

Die Auswanderer aus West- und Mitteleuropa dominierten die Einwanderungen in die USA des 19. Jahrhunderts. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten sich die nationalen Anteile radikal. Allein in seinen ersten 20 Jahren lag das Schwergewicht der europäischen Auswanderung auf Italien (über 3,1 Millionen), Russland (über 2,5 Millionen) und den Balkanstaaten, wobei in der unmittelbaren Zeit des Ersten Weltkrieges von 1914-1918 die Auswanderungen so gut wie vollständig zum Erliegen gekommen sein dürften.
Infolge dieser Veränderungen in der Zusammensetzung der US-Einwanderer gab es mehrere Reaktionen, die sich in der Gesetzgebung niederschlugen und folglich auch zu einer deutlichen Zäsur des Zustromes führten, denn in der Dekade von 1931 bis 1940 gab es sogar weniger Zuwanderungen als 100 Jahre zuvor !

Einwanderer in die USA 1820-1998 in Dekaden

Quelle: U.S. Immigration and Naturalization Service 2000, S. 19

Diese Gesetzgebung setzte bereits 1921 ein und hatte vorrangig die Aufgabe, unerwünschte Einwanderungen zu beschränken. Nach einigen Veränderungen trat schließlich 1929 ein Gesetz in Kraft, das bis 1965 Länderquoten in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der US-Einwohner nach der Volkszählung von 1890 festschrieb. Wenn also beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts ein Sechstel der US-Bevölkerung direkten deutschen Ursprungs war, dann entfiel ein Sechstel des jährlichen Einwandererkontingents auf deutsche Einwanderer. Ziel dieser Politik war die Bewahrung der ethnischen Zusammensetzung der US-amerikanischen Bevölkerung. Offensichtlich bedeutete diese Formel nicht nur für die Süd- und Osteuropäer eine erhebliche Benachteiligung. (WESSELY 1991, S. 123)
Diese selektive Beschränkung der Einwanderung hatte damals aber bereits eine gewisse Tradition. In schärfster Form fand sie gegen Asiaten, insbesondere Chinesen statt. Nach den Goldfunden in der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine bis dato kaum bestehende chinesische Einwanderung ein. Nach Ende des Goldrausches wurden die Chinesen aus verschiedensten Gründen angefeindet. Zum ersten Mal war in den Staaten der "Neuen Welt" die Schwelle der Integrationsfähigkeit oder - wohl zutreffender - der Integrationsbereitschaft europäischstämmigen Einwohner überschritten. Nach kurzer Zeit wurde der Zuzug von Chinesen in die USA gesetzlich beschränkt und ab 1882 sogar gänzlich unterbunden. Bis 1943, also 61 Jahre lang, war die Einreise von Chinesen vollkommen verboten. Es ist allerdings einzuschränken, dass damals vielfach alle Asiaten als Chinesen generalisiert wurden, so dass nachfolgend auch die übrigen asiatischen Einwanderer von dieser Politik betroffen waren: Im Jahre 1907 wurde der Zuzug von Japanern und Koreanern radikal begrenzt und ab 1924 verboten. Erst der Koreakrieg führte im Jahre 1952 zu einer Lockerung dieser Bestimmungen. Ein weiteres Gesetz von 1917 schloss auch die Immigration aller anderen Asiaten aus, obgleich es mehrere Ausnahmen gegenüber den nicht eindeutig als asiatisch identifizierbaren Indern gab. "Prägender Hintergrund dieser Politik war - wie auch in Kanada und Australien - die Ideologie von der Überlegenheit der weißen, nordischen Rasse. Neben der Ausschließung aus rassischen Gründen bestimmten in den USA seit 1875 mehrere Gesetze gewisse Klassen ‚unerwünschter Personen', deren Einreise nicht zugelassen war (Prostituierte, Geisteskranke, Sträflinge, Polygamisten u. a.)." (WESSELY 1991, S. 120)

 
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