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Unter den Beispielen planmäßiger Besiedlung ist die Umverteilung von Menschen in Indonesien eine Besonderheit, denn in diesem Fall ist der Anlass politische Wunsch nach Abbau von Verdichtungen insbesondere auf den Inseln Java und Madura. Ob auf diesen nach der Einwohnerzahl wichtigsten Inseln Indonesiens die Tragfähigkeit wirklich erschöpft ist, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden, obgleich allein die durch den Bevölkerungszuwachs erfolgte Belastung des Naturhaushaltes offenkundig ist, wie sowohl anhand der Luftverschmutzung als auch der bisher bekannten Vernichtung der Regenwälder aufgezeigt werden könnte.
Indonesien ist mit 210 Millionen Einwohnern das Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Erde. Bemerkenswert ist - insbesondere aus der Perspektive der Industriestaaten - die besonders starken Heterogenität der Bevölkerung in allen qualitativen Parametern. Ein besonderer Grund dafür ist mit Sicherheit die Verteilung der Bevölkerung auf ca. 990 der etwa 13 600 "echten" Inseln (die indonesische Statistik zählt eine Insel erst ab einer gewissen Mindestfläche sowie nach Bewohnbarkeitskriterien), was zu einer spezifischen Isolation führt, woraus sich sehr differenzierte Lebensverhältnisse ableiten. So erlangen immer wieder ethnographische Forschungen Beachtung, die z. B. über Gemeinschaften unter steinzeitlichen Existenzbedingungen insbesondere auf Irian Jaya (indonesischer Anteil Neuguineas) berichten. Andererseits gibt es hochmoderne urbane Zentren (Verstädterungsgrad 37 %) mit zukunftsorientierter Infrastruktur und einer außerordentlich produktiven Industrie, die teilweise das Weltniveau in den Wachstumsbranchen mitbestimmt. Letzteres ist zugleich Ausdruck eines hohen Bildungsniveaus der beteiligten Bevölkerung, dem gleichzeitig immer noch eine Analphabetenrate von 23 % gegenübersteht.
Weit über die Hälfte der Einwohner Indonesiens leben auf den Inseln Java und Madura, deren Bevölkerungsdichte dort bereits über 800 Einwohner pro km² beträgt. Zur Wachstumsbegrenzung fördert die Indonesische Regierung seit den 1960er Jahren eine aktive Familienplanungs- und Bevölkerungspolitik. Unabhängig von deren Bedeutung nahm die Geburtenrate von 1965/70 bis 1990/95 von 5,6 auf 2,9 Lebendgeborene je Frau ab. Zugleich konnte im selben Zeitraum die Säuglingssterblichkeit von ca. 120 ‰ auf 60 ‰ halbiert werden, womit sich die Lebenserwartung von rund 46 Jahren auf heute 63 Jahre erhöhte. Somit rückte eine ganze Generation stärker besetzter Jahrgänge ins gebärfähige Alter auf, weshalb sich die absolute Geburtenzahl von 1965/70 bis 1990/95 nur von 4,8 Millionen auf 4,7 Millionen pro Jahr reduzierte. (nach BIRG et al. 1998)
Die Bestrebungen einer staatlich organisierten Umsiedlung aus den durch hohe Bevölkerungsdichte geprägten Gebieten gibt es bereits seit Anfang der 1950er Jahre. Die indonesische Regierung bezeichnet diese Maßnahmen als "Transmigrationen" und hat dafür sogar ein eigenes Ministerium eingerichtet, das die Umsiedlungen zu planen und zu organisieren hat. Zunächst beschränkten sich die Programme auf die Förderung von freiwilligen Umsiedlungen der Bevölkerung von Java und Madura in die tropischen Waldgebiete von Sumatra, Borneo (indonesisch Kalimantan), Sulawesi und Irian Jaya. Bis in die 1980er Jahre blieben die Planziele unerfüllt, denn in den ersten 30 Jahren wurden gerade einmal 125 000 Familien umgesiedelt (RÜLAND 1997, S. 203). Darum wurden in den 1980er Jahren den Siedlungsbestrebungen etwas mehr "Nachdruck" verliehen, so dass die Zahl der umgesiedelten Familien auf 356 000 stieg .
Bevölkerungsdichte und staatlich initiierte Umsiedlung in Indonesien
Quelle: DE LANGE 1991, S. 86
Nach offiziellen Statistiken sollen von 1969 bis 1994 etwa 1,7 Millionen Familien bzw. 6,8 Millionen Menschen am Transmigrationsprogramm teilgenommen haben. Sollten die indonesischen Transmigrationen sowohl einer echten Übervölkerung von Java und Madura mit negativen Folgen für die Lebensqualität der Menschen als auch der Erschließung ökonomisch zurückgebliebener Gebiete dienen, dürfte kaum etwas gegen dieses Vorhaben einzuwenden sein. In der Praxis jedoch kommt es immer wieder zu erheblichen Problemen, die u. a. in einer regelrecht chauvinistischen Haltung verschiedener Mitglieder der politischen Führung Indonesiens begründet ist. So führte der ehemalige Transmigrationsminister Martono 1985 aus, dass die Umsiedlung als eine Methode benutzt werden würden, alle ethnischen Gruppen in Indonesien zu integrieren, so dass die kleineren ethnischen Gruppen auf lange Sicht verschwinden würden. Dabei wurde die javanische Kultur, die durch die Umsiedler zu transferieren sei, als Dominanzkultur angesehen, die Kultur der übrigen Ethnien als untergeordnet und entsprechend geringwertig. In diesem Zusammenhang wird auch von Javanisierung gesprochen. Die verschiedenen Völker der Außeninseln sind für viele Javaner in der Entwicklung zurückgebliebene Kinder, ihre Kultur- und Lebensweise wird als primitiv und rückständig abqualifiziert. Die Diskriminierung ihrer indigenen Lebensweise und Kultur führt vielerorts zur Entwurzelung der verschiedenen Ethnien. Neben der Assimilierung dient die Umsiedlungspolitik auch als Hilfsmittel zur Kontrolle der Bevölkerung. (Watch Indonesia! Arbeitsgruppe für Demokratie, Menschenrechte und Umweltschutz in Indonesien e.V.; http://home.snafu.de/watchin/index.htm, 26. September 2001)
Eine solche Politik bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Bereits 1995 bestand die Bevölkerung Kalimantans zu ca. 10 % aus Transmigranten, die eine für diese Insel neue Wirtschaftsweise mitbrachten: Die rigorose Ausbeutung der außerordentlich reichen Naturressourcen - von der Erdölförderung über Diamanten- und Goldgewinnung bis zum ausgedehnten Edelholzeinschlag. Das führte zu einer stetigen Verdrängung und sozialen Deklassierung der Dayaks, des Urvolkes Borneos. Die daraus resultierenden Spannungen entluden sich zum ersten Mal im Januar 1997, als Hunderte Häuser von Maduresen niedergebrannt und mehrere Hundert Menschen getötet wurden. Im März 1999 starben wiederum 200 Menschen bei gleichartigen Unruhen; Tausende wurden vertrieben. Anfang 2001 kam es schließlich auch in Zentral-Kalimantan zu Unruhen, bei denen die einheimischen Dayak mindestens 500 Menschen töteten und Zehntausende Transmigranten vertrieben (ebenda). Mittlerweile werden die Flüchtlingsprobleme infolge der Transmigrationsprojekte durch andere Flüchtlingsströme mit mehreren Hunderttausend Beteiligten überlagert, die insbesondere durch die politischen Veränderungen auf Timor entstanden sind.
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