|
CZUBER - Aussagen zur Entwicklung der Weltbevölkerung
"Aus den ... [Historischen Schätzungen der Erdbevölkerung über die Jahre 1660 bis 1914] würde sich ergeben, daß die jährliche Wachstumsrate zwischen 0,0015 und 0,0121 zu suchen sei und im Mittel 0,00864 betrage.
Von der in neuerer Zeit herrschenden Wachstumsrate kann das gewogene Mittel der Raten in den in dieser Richtung erforschten Ländern eine Vorstellung geben, wobei als Gewichte die Bevölkerungszahlen zu nehmen sind. Auf diese Weise ist unter Zugrundelegung der Verhältnisse aus dem Zeitraum 1906-1911 in den nachstehend verzeichneten Ländern ermittelt worden, das die allgemeine jährliche Wachstumsrate 0,01159, also 1,159% der Weltbevölkerung beträgt.
[Siehe Tabelle: Jährliche Wachstumsrate pro 10 000 der Bevölkerung im Zeitraum 1906 - 1911]
Die Tabelle führt in der zweiten Spalte auch die Verdopplungszeiten. Die Zahl n der Jahre, innerhalb welcher sich eine Bevölkerung von der Wachstumsrate r verdoppelt, ergibt sich durch Auflösung von
man findet
Entweder ist die eben ausgerechnete Wachstumsrate um vieles größer, als sie in der Vergangenheit des Menschengeschlechtes bestanden hat, oder es müssen ungeheure Menschenmassen durch verschiedene Katastrophen von Zeit zu Zeit vernichtet worden sein. Denn setzt man die heutige Bevölkerung mit 1649 Millionen an, so wäre diese bei dauernder Geltung obiger Wachstumsrate aus einem Menschenpaare in 1782 Jahren hervorgegangen (Gerechnet aus dem Ansatze 1649000000=2(1,01159)n), also seit dem Jahre 132 n. Chr. Selbst aus der Wachstumsrate 0,00864, die aus der Zeit 1804-1914 errechnet worden ist, ergeben sich bloß 2397 Jahre und das Jahr 483 v. Chr.
Die große Bedeutung dieser Tatsachen, unterstützt noch durch die außerordentliche Steigerung der Lebensdauer (Lebenserwartung zum Alter 0), die sich in der jüngsten Zeit vollzogen hat, wird ersichtlich, wenn man den entsprechenden Bedarf an Nahrungsmitteln in Rechnung zieht. Die natürlichen Hilfsquellen müßten in Zukunft in einem weit höheren Maße ausgenützt werden als in der Gegenwart, wenn die Wachstumsrate 0,01159 sollte aufrechterhalten werden, bei welcher sich die Bevölkerung nach jedesmal 16,15 Jahren verdoppeln und nach 10000 Jahren die gar nicht faßbare Zahl 22184*1046 erreichen würde.
Ob man die Masse der Erde oder ihre Oberfläche zum Vergleiche heranzieht, man kommt zu unglaublichen Verhältnissen. So wäre die Masse der Menschenmenge 16771*1023 so groß als die Erdmasse, und der für sie erforderliche Standraum (Mann an Mann) wäre 60570*1030 mal so groß als die ganze Erdoberfläche. Die Wachstumsrate der Erdbevölkerung hätte sich der jetzt [nach dem Ersten Weltkrieg, Anm. d. Verf.] in Frankreich (0,0016) nähern müssen, wenn die Erde in 10000 Jahren aus einem Paare hätte so bevölkert werden sollen, wie sie es jetzt tatsächlich ist; denn diese Rate hätte hierzu 12842 Jahre erfordert.
Die vorstehende Analyse, betreffend die Wirkung der Wachstumsrate, beweist die Tatsache, daß die Rate große Änderungen muß durchgemacht haben und daß sie weder den gegenwärtigen Mittelwert noch den aus dem letzten Jahrhundert abgeleiteten für eine längere Zeitdauer kann beibehalten haben [...]. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die aus 1906-1911 abgeleitete Rate nicht von langem Bestande sein wird, und sicher wird sie, wie groß auch der menschliche Genius sich zeigen möge und welche Anstrengungen auch gemacht werden, um die Produktion der Erde an Lebensmitteln zu erhöhen, nicht durch Jahrhunderte zu halten sein. Damit ist die Lehre von Malthus aus einem anderen Gesichtspunkte [als den von ihm zuvor diskutierten moralischen Aspekten; Anm. d. Verf.] außer Frage gestellt."
CZUBER 1923, S. 18-20.
|