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Aus allen bisherigen Aussagen wird deutlich: Die gegenwärtige demographische Situation der Menschheit als Ganzes sowie in Regionen ist im Unterschied zu den Stadien der gesamten bisherigen Entwicklung unvergleichbar, was durch die globale Bevölkerungsexplosion am besten belegt werden kann. Dem wird in der Literatur durch eine Reihe von Bezeichnungen Rechnung getragen, welche das Besondere dieser Phase kennzeichnen. Die vielleicht "stärkste" Formulierung in diesem Zusammenhang dürfte demographische Revolution sein, womit allerdings im allgemeinen lediglich auf die radikale Verringerung der Reproduktionsraten abgestellt und die außerordentlich hohe Dynamik der Alterung der Bevölkerung in den Industriestaaten umrissen wird. Daneben sind besonders die Begriffe Bevölkerungszyklus, demographischer Übergang, demographische Transition und demographische Transformation gebräuchlich, die von allen namhaften Demographen und Bevölkerungsgeographen im Laufe der Entwicklung der Modelle benutzt wurden, so dass es heute nicht immer einfach ist, die terminologische Kreation mit einem Namen und einem Datum zu versehen, zumal all diese Begriffe in ähnlicher Form auch in Nachbardisziplinen Verwendung finden und z. T. auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch stammen.
Die Kenntnisse über die bisherige evolutionäre und räumliche Entwicklung, Verteilung und Struktur der Bevölkerung sowie die Dynamik der aktuellen Veränderungen des Bevölkerungsstandes insgesamt und nach Regionen bilden den Rahmen, um die Frage nach den demographischen Ursachen der Bevölkerungsentwicklung seit Mitte des 20. Jahrhunderts besprechen zu können. In den Bevölkerungswissenschaften ist heute für das gemeinsame erklärende Modell der Begriff "Demographische Transition" gebräuchlich, obgleich in der populärwissenschaftlich ausgerichteten Literatur auch noch vielfach die bereits oben erwähnten anderen Begriffe verwendet werden.
Im Kern dieses Erklärungsmodells wird die Bevölkerungsentwicklung beim Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft anhand der Entwicklung der Geburten- und Sterberaten beschrieben, wobei eine stetig wachsende Lebenserwartung unterstellt wird. Beide Raten haben zunächst ein relativ gleich hohes Ausgangsniveau mit einer leichten Bevorteilung der Geburtlichkeit. Zeitlich versetzt senkt sich zunächst die Sterberate, dann die Geburtenrate erheblich ab; beide Raten finden sich nach einer bestimmten Zeit auf einem relativ gleichen niedrigen Niveau wieder. Für diesen "Endzustand" wird seitens des ursprünglichen Modells eine konstante Bevölkerung angenommen. In der generalisierten Annahme wird dieser Prozess, der idealtypisch in fünf Phasen stattfindet, von allen Ländern durchlaufen (vgl. RUPPERT 1975, S. 25; BÄHR 1983, S. 250ff; LEIB / MERTINS 1983, S. 78; WEBER 1986, S. 57).
Idealtypischer Verlauf der Demographischen Transition
Quelle: BÄHR 1983, S. 251
Prätransformative Phase: In den vorindustriellen Gesellschaften ist sowohl die Geburten- als auch die Sterberate auf relativ hohem Niveau, wobei - wenn überhaupt - langfristig ein sehr geringer Zuwachs stattfindet. Die Lebenserwartung ist sehr gering (deutlich unter 40 Jahre).
Frühtransformative Phase: Durch Verbesserung der Lebensbedingungen kommt es zum raschen Absinken der Sterberate bei weiterhin konstant hoher Geburtenrate. Die "Schere" zwischen Geburtlichkeit und Sterblichkeit öffnet sich, der Zuwachs steigt, die Bevölkerungszahl wächst stark.
Mitteltransformative Phase: Während die Mortalität noch weiter abnimmt, beginnt eine erste allmähliche Veränderung des generativen Verhaltens, indem durch Selbstbeschränkung der Geburtenzahlen der Rückgang der Fertilität einsetzt. Die "Schere" zwischen Geburten- und Sterberate ist am weitesten geöffnet. In Abhängigkeit von der Dauer dieses Zustandes bleibt die Wachstumsrate unverändert hoch und die Bevölkerung wächst besonders stark an.
Spättransformative Phase: Die Sterberate kann sich kaum noch verringern, wogegen die Geburtenrate jetzt deutlich fällt und sich schließlich in der Nähe der Sterberate einfindet. Die "Schere" zwischen Geburten- und Sterberate schließt sich, wodurch sich die Wachstumsrate verringert und die Bevölkerung nur noch mäßig wächst.
Posttransformative Phase: Bei konstant niedrigen Geburten- und Sterberaten hat sich ein hohes Niveau der Lebenserwartung eingestellt. Das Wachstum oszilliert um Null, d.h. die Bevölkerungszahl stagniert
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