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Das wichtigste Identifikationsmerkmal der verschiedenen komplexen Gruppen ist zumeist ihre Sprache. Je nach Zählweise sind etwa 5 500 bis 6 800 Sprachen überliefert. Davon verblieben bis heute auf der Erde noch schätzungsweise 2 500 verschiedene aktive Sprachen, die sich voneinander sehr stark unterscheiden. Ihre Gliederung in genetisch miteinander verwandte Sprachen verschiedener Sprachfamilien wird oft durch unterschiedliche Niveaus der Verwandtschaft erschwert. Die zusätzliche Unterscheidung von Dialekten und Mundarten verkompliziert dieses Gefüge.
Die zehn wichtigsten derzeit aktiv gesprochenen Sprachen (unter Einschluss verschiedener Dialekte) weltweit sind:
- Mandarin-Chinesisch (885 Mio.),
- Spanisch (332 Mio.)
- Englisch (322 Mio.)
- Arabisch (220 Mio.)
- Bengalisch (189 Mio.)
- Hindi (182 Mio.)
- Portugiesisch (170 Mio.)
- Russisch (170 Mio.)
- Japanisch (125 Mio.)
- Deutsch (98 Mio.).
Die derzeitige Bevölkerungsdynamik wird in den kommenden Jahrzehnten sehr schnell zu einer Veränderung in der Reihung dieser bedeutendsten Sprachen führen. Zugleich dürften durch die Dominanz von Amts- und Verkehrssprachen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts etwa die Hälfte der derzeit aktiv benutzten Sprachen aussterben.
In Europa dominieren die indogermanischen Sprachen. Ihre anzahligen Hauptvertreter sind:
die germanischen Sprachen mit den nordgermanischen (Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Isländisch, Färöisch), den westgermanischen (Englisch, Deutsch, Niederländisch, Friesisch) und den germanischen Neusprachen (Jiddisch und Afrikaans),
die slawischen Sprachen mit den ostslawischen (Russisch, Ukrainisch, Weißrussisch), den westslawischen (Tschechisch, Slowakisch, Ober- und Niedersorbisch, Polnisch; mit mehreren Untergruppen) und den südslawischen (Slowenisch, Serbisch, Kroatisch, Bulgarisch, Makedonisch) Sprachen sowie dem sog. Kirchenslawisch und
die romanischen Sprachen, die auf dem Boden des Römischen Reichs aus dem Vulgärlatein hervorgegangen sind (Portugiesisch, Katalanisch, Französisch, Provenzalisch, Sardisch, Spanisch, Italienisch, Rumänisch und Rätoromanisch).
Daneben gibt es einige Sprachen, die aus verschiedenen Gründen diesen zahlenmäßigen Hauptgruppen bzw. Sprachfamilien nicht zuzuordnen sind. Es sich zunächst jene, die bereits vor der jüngeren Expansion indoeuropäischer Sprachen aus dem Kurgangebiet in Europa gesprochen wurden, insbesondere Albanisch und Griechisch, aber auch die keltischen Sprachen, welche wahrscheinlich vor 2500 Jahren in Mittel- und Westeuropa dominierten und heute noch durch das Irische, Schottische, Walisische und einige Reliktgruppen präsent sind. Von Bedeutung sind ebenfalls die später eingewanderten finnougrischen Sprachen, insbesondere Finnisch, Lappisch, Ungarisch sowie die Sprachen einiger Völker zwischen der Wolga und dem Ural. Als Besonderheiten in der europäischen Sprachenlandschaft ist zum einen die vorindogermanische Sprache der Basken zu nennen, zum anderen ist auf die Sprache mehrerer Minderheiten zu verweisen, welche vorrangig neuzeitlichen bzw. außereuropäischen Ursprungs sind.
Die entwicklungsgeschichtliche Verwandtschaft der europäischen Sprachen wird in der Literatur unterschiedlich behandelt, was sich im wesentlichen aus der Tiefe der linguistischen Differenzierung ableitet. An dieser Stelle soll ein einfaches Schema genügen:
Stammbaum der Indoeuropäischen Sprachen
nach: CAVALLI-SFORZA 1999, S. 183; leicht verändert
Die einzelnen Ebenen drücken lediglich den Grad der Verwandtschaft aus und stellen keine Entwicklungsstufen im Sinne einer Höherentwicklung dar.
Ein spezielles Thema der auf Ethnien ausgerichteten Bevölkerungsgeographie ist die Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit der Geschichte des Kolonialismus. Nirgendwo sonst auf der Erde ist der Unterschied zwischen der regionalen Verbreitung der Völkerschaften und dem Zuschnitt der Staaten so groß wie in Afrika. Selbst 40 bis 50 Jahre nach Entlassung der meisten Länder in die politische Unabhängigkeit werden vor allem viele Staaten dieses Kontinentes durch eine Reihe von ethnischen Konflikten beherrscht, z. B. sind die Massaker in Ruanda 1994 als ein Beispiel für "ethnische Säuberungen" in die Geschichte eingegangen. Allerdings braucht man sich gar nicht so weit zu entfernen: Die Konflikte auf der Balkanhalbinsel, insbesondere die Kriege in Jugoslawien, haben ebenfalls eine ethnische Komponente.
Fachlich überlagern sich hier die Interessen der Bevölkerungsgeographie mit der Historischen, der Politischen sowie der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialgeographie.
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