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Ausgewählte Migrationsmodelle 2 | |
| Zuletzt sei an dieser Stelle der grundlegende Ansatz zur Erklärung von Wanderungen nach ZELINSKY vorgestellt. Analog zur demographischen Transition erstellte er eine "Hypothese der Mobilitätstransition" (1971). Dabei wird das durchschnittliche Mobilitätsverhalten einer Gesellschaft mit ihrem sozioökonomischen Entwicklungsstand verbunden, wobei ebenfalls fünf Phasen unterschieden werden (zit. bei BÄHR 1983, S. 282f; gekürzt):
Bei aller Unzulänglichkeit, u. a. durch die Vernachlässigung der zuweilen dominanten politischen Bedingungen, dürfte dieses Modell ein guter Ordnungsrahmen für die Strukturierung zusammenfassender Betrachtungen von Mobilitätsvorgängen sein. Auch als Arbeitshypothese für raum-zeitliche Vergleichsuntersuchungen stellt es mit seinem idealtypischen Verlauf eine wichtige Überlegung für künftige Forschungsstrategien dar (BÄHR 1983, S. 282). Zudem ist es kompatibel zu den modernen theoretischen Vorstellungen über die bisherige und auch die zukünftige Entwicklung des Verkehrs, sofern er nicht nur der organisatorisch-technologische Rahmen räumlicher Bevölkerungsbewegungen ist, sondern aus der früheren Position der Voraussetzung von Mobilität immer mehr zu deren Medium wird. Das betrifft insbesondere die Veränderungen raum-zeiltlicher Beziehungen von Standorten in Mittel- und Nahbereichen. Wenn aus dieser Perspektive z. B. der "Stadt-Land-Verbund als die Siedlungsform des 21. Jahrhunderts" verstanden wird (HEINZE, KILL 1992, S. 28 f.), dürften sich zumindest in dieser Dimension neue Muster der kleinräumigen Verteilung und Umverteilung der Bevölkerung ergeben. Das ist auch insofern von Bedeutung, als die zukünftige Bevölkerungsentwicklung vorrangig auf die städtischen Räume orientiert sein wird, welche dann allerdings weniger als die heutigen Kernstädte als eher diese mit ihren funktional verbundenen Rändern zu verstehen sein werden.
Der Umfang der Interaktion (Migration) zwischen räumlichen Einheiten verhält sich negativ exponentiell zur Distanz, d.h. je größer die Distanz, desto geringer ist die Interaktion. Der Exponent ist ein empirisch zu bestimmender Koeffizient, welcher - ähnlich wie im NEWTONschen Masseanziehungsgesetz - nahe bei 2 liegt. Als "Massen" gelten im Gravitationsansatz die potentiell wandernden Personen, d.h. die Einwohner der betrachteten Raumeinheiten mit einem normierten Migrationspotential. Oft werden die "Massen" sogar mit den Bevölkerungszahlen gleichgesetzt. Es lässt sich rechnerisch leicht nachvollziehen, dass das Wanderungsvolumen nicht nur ansteigt, wenn sich die Distanz verringert, sondern auch, wenn die Masse von zwei betrachteten Regionen größer ist als die Masse anderer Regionen. Mit freiem Distanzexponenten lautet der Ansatz:
Sowohl die Bestimmung der "Massen" als auch das Messen der Distanz kann zu Verzerrungen führen, denn die Bevölkerung ist hinsichtlich ihrer Wanderungspotentiale ebenso unterschiedlich wie die Distanzen bezüglich der Effektivität verschiedener Verkehrswege. Darum sollte als Masse eher die migrationslatente Bevölkerung ermittelt werden, und als Distanz statt der Luftlinie eine relative Distanz, wie z. B. die effektive Reisezeit.
Im Wanderungsprozess kommen maßgebliche Faktorengruppen zur Geltung, welche sowohl die Distanz als auch die Anzahl potentieller Migranten relativieren. Das sind qualitative Parameter des Herkunfts- und des Zielgebietes, intervenierende Hindernisse (z. B. Einwanderungsgesetze als juristische Restriktionen, Transportkosten) und qualitative Parameter der potentiellen Migranten (z. B. Alter, Intelligenz). Vielfach werden Merkmale, welche die Migrationsmotive beeinflussen, von einzelnen beteiligten Individuen auch nur als positiv oder negativ "empfunden", was ihre Bedeutung für die Realisierung der Migration aber keineswegs schmälert.
Im Unterschied zu den deterministischen Modellen gibt es auf individueller Ebene lediglich die Möglichkeit, Wanderungsentscheidungen im Rahmen wahrscheinlichkeitstheoretischer (probabilistischer) Kalküls zu bestimmen. Dabei werden auch Unterschiede, die Wandernde im Informationsgrad über den Standort haben, berücksichtigt. |
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