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Ausgewählte Migrationsmodelle
 
 

Der wohl erste Erklärungsversuch ist in den "Migrationsgesetzen" nach RAVENSTEIN (1885 und 1889) zu finden, die in Anlehnung an GRIGG (1977) bei BÄHR (1983, S. 294f) zu folgenden Thesen zusammengefasst wurden (leicht verändert):

  1. Die Mehrzahl der Wanderungen erfolgt über kurze Distanzen;
  2. Wanderungen über größere Distanzen verlaufen häufig in Etappen (Stufen- oder Kettenwanderung);
  3. Je größere die Distanzen desto größer und bedeutender der Zielort;
  4. Wanderungsströme verlaufen zumindest teilweise gegenläufig;
  5. Die Landbevölkerung ist migrationsaktiver als die Stadtbevölkerung;
  6. Frauen wandern eher über kürzere Distanzen als Männer und umgekehrt;
  7. Alleinstehende wandern häufiger als Familien;
  8. Das Städtewachstum ist eher Resultat aus Wanderungsgewinnen als aus Geburtenüberschuss;
  9. Das Wanderungsvolumen steigt mit dem Grad der Industrialisierung und der verkehrstechnischen Effektivität;
  10. Die Hauptgründe der Migration sind ökonomischer Natur.

Die RAVENSTEIN'schen Regeln wurden aus dem Wanderungsgeschehen im frühindustrialisierten Deutschland völlig empirisch abgeleitet.
Aus einer ganz anderen Perspektive, einer eher soziologischen Sicht, liegt ein typologisches Schema der Migration vor, das auf PETERSEN (1958) zurückgeht und mehrfach modifiziert wurde (nach KULS 1980, S. 167 und BÄHR 1983, S. 290):


Quelle: KULS 1980, S. 167; BÄHR 1983, S. 290.

Seit der Erstveröffentlichung ist sind an diesem Schema viele Veränderungen vorgenommen worden, welche nicht nur die unterschiedliche Sichtweise der jeweiligen Autoren widerspiegeln, sondern in vielen einzelnen Beispielen belegen, dass ein solch kategorische Unterscheidung z. B. von erzwungenen und freiwilligen Wanderungen bzw. die Reduzierung dieser Attribute auf die im Schema vorgegebenen Spannungsrahmen nicht immer zutrifft. Das ist nicht nur Ausdruck der Komplexität von Migrationen, sondern zugleich ein Hinweis auf den möglicherweise jeweils wechselnden gesellschaftlichen Rahmen, in dem Migration stattfindet bzw. stattfinden kann bzw. unterdrückt wird. So können gleiche Erscheinungen unter verschiedenen Bedingungen durchaus unterschiedlich bewertet werden, so dass allein die Abgrenzung einzelner Felder des Schemas nicht immer einfach ist.
Eine weitere Typisierung räumlicher Bevölkerungsbewegungen ist bei LEIB und MERTINS (1983, Seite 103) zu finden. Sie unterscheiden Wanderungen nach folgenden Merkmalen (leicht verändert):

  • Distanz (bezüglich Überschreitung von Grenzen gebietlicher Einheiten oder in Kilometern);
  • Richtung (zwischen Gebietseinheiten unterschiedlicher Qualität, wie z. B. von der Stadt in das Umland);
  • Periodizität, Dauer (regelmäßig, sporadisch oder endgültig, zeitlich begrenzt oder dauernd);
  • Geschwindigkeit (zumeist technologisch bedingt);
  • räumlicher Verlauf (direkt oder in Etappen);
  • · ·
  • Organisationsform (spontan, freiwillig, stimuliert bzw. organisiert, gezwungen);
  • ·
  • Art des Verbandes und Umfang (Einzel-, Gruppen-, Massenwanderung);
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  • Merkmale des Migranten (Gemäß der Strukturen der Bevölkerung);
  • ·
  • Ursachen und Motive bzw. Zweck;
  • ·
  • Auswirkungen im Herkunfts- bzw. Zielgebiet.

  • Bereits die einfache Kombination dieser Merkmale führt zu einer enormen Anzahl von Typen räumlicher Bevölkerungsbewegungen. Dabei sind noch nicht einmal historische und systemare Rahmenbedingungen berücksichtigt.

     
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