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Die Kennzeichnung von räumlichen Einheiten durch die Einwohnerzahl ist zumeist eine erste Angabe. Dennoch ist eine solche Information recht pauschal. Räumliche Beziehungen werden nicht von einer abstrakten Bevölkerung realisiert, sondern von ganz konkreten Person mit ihren individuellen Eigenschaften, Fähigkeiten, Befindlichkeiten und Bedürfnissen sowie ihrer Organisation in verschiedenen sozialen Gruppen. Zugleich wirken sich die verschiedenen örtlichen bzw. regionalen Bedingungen auf die Zusammensetzung der Bevölkerung aus. Es ist also nicht immer die gesamte Bevölkerung eines Ortes oder Gebietes von Interesse, sondern ihre qualitativen Merkmalen bzw. ihre Zusammensetzung aus unterschiedlichen Teilgruppen.
Die qualitative Differenziertheit der Bevölkerung wird zumeist als Bevölkerungsstruktur bezeichnet. In der älteren Literatur wird unter Struktur fast wie in der Umgangssprache die "Anordnung der Teile eines Ganzen zueinander; die innere Gliederung, der Aufbau; das Gefüge" verstanden (vgl. BROCKHAUS 1993, Bd. 21, S. 350).
In den moderneren Begriffssystemen rückt spätestens mit der Zunahme der Bedeutung der Kybernetik für viele Wissenschaften zunehmend das Funktionale in den Mittelpunkt der Betrachtung. Danach ist eine Struktur die Menge und die Art der Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems. Bei sorgloser Benutzung des Strukturbegriffes kann es also zu Missverständnissen kommen. Am einfachsten sollte vielleicht künftig auf den Begriff Struktur verzichtet werden, wenn lediglich eine Gruppierung oder eine Gliederung gemeint ist, die dann auch so angesprochen werden kann. Bei der Diskussion älterer Literatur ist es allerdings nicht möglich, den damals üblichen statischen Inhalt des Strukturbegriffes zu ignorieren.
Am einfachsten lassen sich zwei Hauptgruppen von Bevölkerungsmerkmalen unterscheiden:
Biologische bzw. natürliche Merkmale (Alter, Geschlecht, Rasse u. a.),
Soziale, ökonomische und psychologische bzw. nicht-natürliche Merkmale (Sprache, Bildung, Berufstätigkeit, soziale Stellung, Religion u. a.).
Oft wird die Bevölkerung eines Raumes auch nach drei Merkmalsgruppen gegliedert, indem
Demographische Merkmale (Altersaufbau, Geschlechterproportion, Familien- und Haushaltsstruktur),
Wirtschaftliche Merkmale (z. B. Erwerbsquote, Berufs-, Erwerbs- und Beschäftigungsstruktur, Kaufkraft etc.) und
Soziale Merkmale (z. T. recht unterschiedliche Einzelvariablen, welche insgesamt das Sozialverhalten subsumieren)
zusammengefasst werden. In der Regel wird aber immer darauf verwiesen, dass alle Eigenschaften zueinander in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen.
Bei einigen Merkmalen ist die Zuordnung nicht immer eindeutig. Das gilt vorrangig für solche, in denen das Verhalten der Menschen eine Rolle spielt, das von exakt zugeordneten Eigenschaften abhängen kann. So gibt es Systeme, in denen z. B. der Familienstand und Haushalte zu natürlichen Merkmalen gerechnet werden, da sie im allgemeinen nicht nur eng mit dem generativen Verhalten verbunden sind, sondern oft auch ein bestimmtes Mindestalter verlangen. Andererseits kann die Familie als eine soziale Gemeinschaft aufgefasst werden und wird dann als sozialbiologische Grundeinheit bezeichnet (LEIB / MERTINS 1983, S. 95ff), was allerdings weniger bevölkerungsgeographische als demographische Positionen einer mittlerweile überholten Klassifikation widerspiegelt (z. B. MACKENROTH 1953).
Weiterhin gibt es Gruppeneigenschaften, die in spezieller Kombination auftreten, wo der ursächliche Bezug oft unklar bleibt und Unterschiede in der Zuordnung über die selbe Grundgesamtheit auch vom Standpunkt des Betrachters abhängen können. Das ist nicht nur legitim, sondern zuweilen sogar notwendig. So überlagern sich z. B. in Gebieten mit ethnischer und rassischer Vielfalt diese Merkmale oft mit Problemen, die sich aus sozialen Spannungen ableiten. Damit kann die Gruppenbildung zudem auch noch von einer gewissen psychologischen "Haltung" überprägt sein. Allerdings ist die wissenschaftliche Differenzierung der Unterschiede zwischen den Menschen keine Bewertung.
In der jüngeren Literatur und in der Lehre werden einige Merkmale fast mit einem Tabu belegt (vgl. KROSS 1999, S. 3). Ethnische Gruppen, Rassen und Religionen haben im bevölkerungsgeographischen Kontext im Laufe der Zeit eine eher untergeordnete Rolle zugewiesen bekommen. Die Beschäftigung mit diesen Themen ist sicher nicht immer einfach, wenn sie z. B. zu einer Positionierung zwingt, die zur Offenlegung der moralischen oder politischen Haltung des Betrachters führt. Angesichts vieler Konflikte in der Welt, in denen aber genau diese Gruppenmerkmale der Bevölkerung zum Anlass für Diskriminierung, Vertreibung, gar Völkermord genommen werden, besteht hinreichend Grund zu einer allumfassenderen Aufklärung, also auch zu einer Aktualisierung dieser Bereiche in der Fachliteratur.
Die gesellschaftliche Stellung der Frau ist ein besonderes Thema. Im engeren Sinne ist es ein soziales Kriterium und kein Gruppierungsmerkmal. Es durchzieht aber alle im folgenden beschriebenen Differenzierungen und Gliederungen der Menschen und modifiziert deren demographische Wirkung in spezifischer Form.
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