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Nichtnatürliche Bevölkerungsbewegungen sind komplexe Vorgänge, bei denen sich die Lebenslage der beteiligten Personen verändert. Sie werden Mobilität genannt und haben eine soziale und eine räumliche Seite.
Bewegungen innerhalb oder zwischen sozialen Strukturen (z. B. der soziale Aufstieg) heißen soziale Mobilität, Ortsveränderung im Raum (z. B. die Verlegung eines Wohnsitzes) werden als räumliche Mobilität bezeichnet. Vielfach finden beide Prozesse gleichzeitig statt (z. B. beim Berufseinstieg) und erscheinen wie die zwei Seiten einer Medaille. Ungeachtet, welcher der Teilprozesse dominiert - Gegenstand der Bevölkerungsgeographie sind hinsichtlich der Mobilität vorrangig die räumlichen Bevölkerungsbewegungen.
Räumliche Mobilität ist der Oberbegriff für jede Ortsveränderung von Personen im Raum bzw. zwischen verschiedenen Einheiten eines räumlichen Systems. Von Wanderung (Migration) wird gesprochen, wenn sich dabei der Bevölkerungsstand verändert. Migrationen unterscheiden sich nach der Distanz (Reichweite der Bewegung), ihrer Frequenz (einmalig, selten oder häufig, regelmäßig oder unregelmäßig) und anderen Merkmalen.
Die geographische Bearbeitung räumlicher Bevölkerungsbewegungen kann unter verschiedenen Blickwinkeln erfolgen. Seitens der Verkehrsgeographie kann der Mensch ein Transportgut im Personenverkehr sein, seine diesbezüglichen Entscheidungspräferenzen, soziologische Muster und Handlungsspielräume sind für die Sozialgeographie interessant, die allgemeine Ökonomische Geographie untersucht die Aufwand-Nutzen-Relation von raumbezogenen Handlungen und die Siedlungsgeographie fragt nach Herkunft und Verbleib der Bürger. Graduelle Unterschiede räumlicher Prozesse z. B. nach der Konsequenz (Veränderung des Bevölkerungsstandes oder kein Einfluss auf die Einwohnerzahl) erweitern die Dimensionen des Themas. Den spezifisch bevölkerungsgeographischen Gehalt dieser Problematik befriedigend zu definieren ist darum äußerst schwierig - und in der Tat existiert bis heute keine in sich geschlossene, allseits anerkannte Theorie der Migration, nicht einmal eine allgemein akzeptierte und gültige Typologie der räumlichen Bevölkerungsbewegungen (LEIB / MERTINS 1983, S. 103). Die wenigen Teilthemen, über welche die größte Einigkeit besteht, lassen sich grob wie folgt umreißen:
Migration gehörte bereits zur ursprünglichen Lebensweise des Menschen im Prozess seiner Sozialisation;
·Migration kann, gemessen an den Bedürfnissen bzw. am Anspruchsniveau des Menschen, dem Ausgleich standörtlicher bzw. regionaler Defizite dienen, sofern dieser Ausgleich durch den Transport von Waren und Gütern nicht effektiver ist;
·Ursache, Anlass, Beteiligung, Organisation und andere Merkmale der Migration sind primär von den ökonomischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Gesellschaft abhängig, in der Migration stattfindet.
Migrationen finden in einem multidimensionalen Kontext statt, dessen Achsen in Abhängigkeit von den konkreten Bedingungen ihre Dominanz durchaus tauschen können. Die verschiedenen Bezüge erschweren eine einheitliche Begriffsbildung, so dass es in den interdisziplinären Berührungen auch Widersprüche und Missverständnisse gibt. Darum soll zunächst eine Verständigung über die bevölkerungsgeographischen Kernbegriffe der Migration erfolgen, bevor Modelle und Querverbindungen zu anderen Sachverhalten diskutiert werden.
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